ich fang einfach mal an
Noche
Tochter des MondlichtsPrologDie Nacht ist kalt, die Nacht ist grausam. Die Nacht ist mein.
Am Anfang war ein Lichtstrahl, ein Tropfen Wasser. Erstes Leben. Am
Anfang war die Nacht. Die Sonne bestrahlte all die Schönen, die Naiven,
die ohne die diamantenen, trügischen Strahlen blind waren. All
diejenigen, die die Welt sehen wollte. Die Nacht sollte die verbergen,
die sie Krüppel nannten, Missgeburten. Und die Nacht nahm sie auf wie
eine liebevolle Mutter, beschützte sie, gab ihnen scharfe Augen und das
was sie zum Überleben brauchten. Was sie brauchten um sich
durchzuschlagen in einer Welt voller Glanz und Betrug. Die Nacht ist
eisig, sie ist brutal - aber sie sagt die Wahrheit. Der Tag ist
strahlend schön, warm und er lügt, erzählt Geschichten vom Paradies und
einer perfekten Welt, Lügen, die niemals wahr werden können, nicht
hier, nicht in unserem Puls der Zeit. Wie könnt ihr also den Tag loben,
den Sonnenaufgang, wenn eine neue Lüge über euch bricht? Wie könnt ihr
weinen wenn der trügerische Ball blutrot wird, wenn die Nacht den Tag
ablöst, wenn die Sonne sich am Horizont, an der Kante der Wahrheit,
schneidet und ihr Blut in die schwarzen Tiefen der Erde fließt, die
Lebensadern unserer Welt vergiftet? Und wie könnt ihr behaupten die
Nacht sei schlecht? Wie könnt ihr sagen die Wahrheit sei schlecht?
Wahrheit, Fakt ist, hinter der goldenen Fassade der sonnendurchfluteten
Lüge sieht es erbärmlich aus, abgeschoben, das Elend der Dunkelheit.
Nacht. Die Nacht ist mein zu Hause, meine Wohnung, mein Bett, war es
immer und wird es auch immer sein. So hat es mir meine Mutter erzählt.
Und die hat es von ihrer Mutter, und die von ihrem Vater. Die Legende
der Nacht, unsere Legende. Früher war sie mal eine richtige, hat meine
Mama gesagt, aber der Wind hat sie mitgenommen, der Fluss der Zeit hat
sie auseinander gerissen. Die Nacht will nicht, dass ihre Geschichte
dem Licht näher kommt. Das Licht wird sie verleugnen, die Wahrheit, das
Licht ist schlecht. Das Licht ist Lüge. Die Dunkelheit ist Wahrheit.
Die Wahrheit ist gut, hat meine Mama mir immer wieder eingeschärft, ich
soll die Wahrheit nie vergessen, die Wahrheit ist hart, aber sie ist
da. Ich bin 10 Jahre alt, beide Hände ausgestreckt auf den Asphalt
gelegt, so alt bin ich. Ich bin stark, ich kann mit der Wahrheit leben.
Meine Mutter hat die Wahrheit immer geliebt. Jetzt hat die Nacht sie
belohnt, die ewige Dunkelheit hat sie aufgenommen, hat sie in die Arme
geschlossen. Ich vermisse sie, die beste Mutter der finsteren Nacht,
aber ich werde sie wiedersehen, eines Tages, wenn ich der Wahrheit
weiterhin ins Auge sehe. Und das werde ich. Einmal ist hombre de sol
gekommen und wollte mich mitnehmen, mich ins Sonnenlicht zerren, weg
von meiner Heimat. Er hat mir Lügen erzählt von etwas, was sie Heim
nennen, aber ich habe ihm nicht geglaubt. Die Menschen der Sonne sind
verseucht, sind krank von dem was die Sonne ihnen einflüstert. Hombre
de sol wollte, dass ich auch krank werde, aber ich bin nicht gegangen.
Ich bin Chica de claro de luna, Mondlichttochter, ich gehe nicht mit
den Männern der Sonne.